Weltbekannt und auf dem Teppich geblieben

28. September 2023

Kramis fertigt seit 1987 exklusive Handtufting-Werke für namhafte Kund*innen wie Vitra und SAP. 2022 erlangte der Familienbetrieb aus einem Luzerner 1000-Selendorf Weltbekanntheit. Ein Streich der neuen Generation.

Aus negativen Ereignissen entsteht manchmal unerwartet Positives. So nahm die Firmengeschichte von Kramis aufgrund eines Unfalls ihren Lauf: Felix Kramis musste seinen erlernten Beruf als Maurer an den Nagel hängen und heuerte in einer Teppichmanufaktur im Nachbarsdorf an. Sieben Jahre später, 1987, gründete er seine eigene Firma, die sich auf Handtufting-Teppiche für den Wohnbereich spezialisierte. Mittlerweile tuftet Kramis ebenfalls für den Objektbereich. Die von Hand hergestellten Werke finden sich in exklusiven Boutiquen, einzigartigen Showrooms, namhaften Hotels und in Räumen der öffentlichen Hand.

Allein auf weiter Flor

Kramis ist der einzige Hersteller in der Schweiz, der auf manuelles Handtufting setzt. «Es gibt einen weiteren Produzenten, der die Handtuftmaschine an einem Roboter befestigt», fügt Tim Kramis an, «aber das schränkt die Möglichkeiten aufgrund des Bewegungsradius ein.» Im Luzernischen Altbüron entsteht jeder Teppich in Handarbeit. Dadurch gibt es so gut wie keine Limitierungen hinsichtlich Design, Form und Grösse.

Tim Kramis arbeitet seit seiner Erstausbildung zum Kaufmann – mittlerweile seit zehn Jahren – im Zwölf-Personen-Betrieb seiner Eltern. Der 25-Jährige verantwortet das Marketing und den Verkauf. Sein Bruder Daniel stieg vor 16 Jahren bei Kramis ein und kümmert sich unter anderem um den Einkauf, Personal wie auch Produktion. «Ein fliessender Generationenwechsel», nennt es Tim. Sie würden weiterhin von der Erfahrung und dem Wissen ihrer Eltern profitieren, ehe sie die Fäden von Felix und Doris Kramis irgendwann in naher Zukunft vollständig übernehmen.

Mini-Golfplatz im Büro

Hat man nach bald 40 Jahren schon alles gesehen und hergestellt? Tim lacht: «Nein, wir werden auch heute noch von speziellen Anfragen überrascht.» Einer der aussergewöhnlicheren Aufträge sei ein Teppich für ein Office gewesen, der einen Golfplatz imitieren sollte. Das organförmige Werk mit rund vier Metern Durchmesser hatte sogar ein Hole, um den Golfball zu versenken. Die Möglichkeit, individuelle Entwürfe zu tuften, gewinne an Attraktivität. «Käufer*innen schätzen ein exklusives, hochwertiges Objekt, das sich bei niemandem sonst findet und mit nichts vergleichen lässt, immer mehr.»

Endkund*innen finden über Innenarchitektur-Büros und den nationalen Fachhandel zu Kramis, man arbeitet mit ausgewählten Partner*innen zusammen. Die Kundschaft kommt hauptsächlich aus der Schweiz. Hin und wieder arbeitet Kramis auch mit internationalen Design-Studios, das Produkt kommt letztlich aber meistens in der Schweiz zu liegen.

Grösste Sorge: falsche Farbwahl

Nicht alle Teppiche, die aus Altbüron stammen, sind Spezialanfertigungen. Die Manufaktur verfügt über ein Sortiment von kommerziellen Teppichen und Prestige-Kollektionen, wobei Grösse, Form und Farbe in jedem Fall individuell festgelegt werden. Die Tufter*innen von Kramis produzieren auf Wunsch innerhalb von zwei Tagen kleine Muster, sodass Käufer*innen ihre Entscheidungen den eigenen Räumen und mit einem sicheren Gefühl treffen können.

Es steht eine hauseigene Farbpalette mit 150 Optionen zur Verfügung, auch Spezialeinfärbungen sind möglich. Jedoch scheut die Mehrheit des Klientels laut Tim Kramis kräftige Farbtöne, weil befürchtet wird, die Wahl würde irgendwann nicht mehr gefallen. Es gäbe auf dem Schweizer Markt zudem schon länger einen Trend zu unifarbenen Teppichen und wenn Garne kombiniert werden, kämen sie häufig aus einer ähnlichen Farbwelt.

Die Prestige-Kollektionen entstehen häufig mit externen Designer*innen und Institutionen. Vor zwei Jahren brachte Kramis mit dem St. Galler Künstler und Illustrator Dominik Rüegg «Komposition drü» auf den Markt, der sowohl an der Wand als auch am Boden überzeugt. «Ile Mobile» resultierte aus einer Zusammenarbeit mit angehenden Textildesigner*innen der Hochschule Luzern und wurde vor Kurzem gelaunched. 

Zu den regelmässigen Kollaborationspartner*innen gehört Alexa Blum, «inoffiziell unsere externe Haus-Designerin».

Aus Überzeugung Naturfaser

Alle Premium-Teppiche von Kramis bestehen aus Leinen, Schurwolle oder einer Kombination der beiden Fasern. Schurwolle verfügt über eine hohe Strapazierfähigkeit, neutralisiert Gerüche und ist aufgrund eines natürlichen Fettfilms Fett- als auch Wasser-abweisend. Schurwoll-Teppiche verbessern ausserdem die Raumakustik und wirken regulierend auf die Luftfeuchtigkeit sowie Raumtemperatur. Leinen wird hauptsächlich aufgrund der Optik verwendet: Sie verleiht einem Teppich edlen Glanz und die Oberflächenstruktur wirkt lebendiger. 

Die Manufaktur verarbeitet je rund fünf Tonnen Leinen und Schurwolle pro Jahr. Eine Menge, die sich zum Bedauern des auf Nachhaltigkeit bedachten Unternehmens aktuell nicht zu vertretbaren Preisen aus der Schweiz sourcen lässt. «Aber es gibt zum Glück Bemühungen, die Flachs-Produktion für Schweizer Landwirt*innen wieder attraktiv zu machen», führt Tim Kramis aus. 

Wenn derzeit auch nicht alle Produkte mit Schweizer Rohstoffen hergestellt werden können, so immerhin eine exklusive Kollektion. Noch dieses Jahr bringt Kramis mit Alexa Blum eine Linie auf den Markt, die ausschliesslich aus Schweizer Leinen und Schurwolle getuftet wird. Die Schurwolle stammt aus diversen Schweizer Schafzuchten, das Naturleinen aus dem Emmental. Eine Region, die Kramis bestens kennt. Die Färberei Probst aus Emmenmatt färbt sämtliche Garne für die Manufaktur. Die Kleinmenge an Spulen im Garn-Lager in Altbüron dient ausschliesslich der Muster-Produktion. Bei Probst liegt schätzungsweise eine Tonne Rohgarn im Lager, die erst nach Auftragserhalt gefärbt wird. So verhindert Kramis Überproduktion.

Unverhofft weltbekannt

Ein Premium-Produkt, wie es Kramis fertigt, hat seinen Preis. «Das Wort Rabatt existiert bei uns nicht», sagt der Marketing-Verantwortliche aus voller Überzeugung. Die Treue zum Werkplatz Schweiz brachte die Manufaktur vor der Pandemie in Bedrängnis, Swissness wurde weniger wertgeschätzt und das Qualitätsbewusstsein verschlechterte sich tendenziell. Tim Kramis ist im Nachhinein froh, dass das Unternehmen seinen Werten treu blieb. Seit Corona würden die Vorteile der lokalen Produktion wieder wahrgenommen, die politische Weltlage habe diese Tendenz verstärkt. 

Die Corona-Krise wirkte sich für den Familienbetrieb auch auf einer anderen Ebene unerwartet positiv aus. Kreative Hobbies wie Handtufting wurden auf sozialen Netzwerken zu populären Themen. Die Kramis-Community auf Instagram, TikTok und Youtube wurde grösser und Ende 2022 gelang der Manufaktur gar ein kleiner Coup: Ein Video ging viral, 14 Millionen User*innen lernten Kramis kennen und die Instagram-Followerschaft erweiterte sich um rund 110'000 Personen. 

Der digital affine Tim Kramis nutzte die Gunst der Stunde und das grosse Interesse der Community an der Expertise des Familienbetriebes. Er entwickelte für die internationalen «Hobby-Tufter*innen» ein E-Book und produzierte eine zehnteilige Video-Serie, die sich gegen einmalige Bezahlung downloaden lassen. Der Wissenstransfer wurde intern kontrovers diskutiert, doch letztlich überzeugte die neue Generation die kritischen Stimmen. Altbewährtes und innovative Ideen zusammenzwirnen, so geht Zukunft!

Noch mehr Stoff für Interior-Träume

Letztes Jahr waren wir bei der St. Galler Traditionsfirma Jakob Schlaepfer zu Besuch, die exklusive Stoffe für Fashionbrands wie Céline und Rami Kadi produziert. Auch Textilien und Tapeten für den Interior-Bereich gehören zum Sortiment. Jetzt lesen

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