Wachsendes Interesse: Pflanzen im Innenraum

28. November 2022

Pflanzen in Innenräumen liegen im Trend. Warum? Welchen Mehrwert bringt eine Innenraumbegrünung? Eignet sich jede Art Raum dafür? Das und mehr haben wir Moritz Küderli, CEO von Hydroplant, gefragt.

Moritz Küderli ist CEO der Firma Hydroplant, die – wie der Name erahnen lässt – ihre Wurzeln in der Hydrokultur hat. Die erdlose Kultivierung von Pflanzen erhielt in den 1970er-Jahren dank des Schweizers Gerhard Baumann ordentlich Auftrieb und ist seither nicht mehr aus der Pflanzenwelt wegzudenken. 

Küderlis Vater, der Hydroplant 1972 gründete, wollte das Hydrokultur-System in Büroräumen etablieren und verkaufte zusätzlich zu den Pflanzen deren Pflege im Abo-Modell. 2004 übernahm der damals 30-jährige Junior die Leitung und baute das Angebot schrittweise aus, zuletzt kam das Geschäft mit der Vertikalbegrünung hinzu. 50 Mitarbeiter*innen tragen heute zum Gedeihen von Hydroplant bei. 

Wir haben bei Pflanzen-Experte Moritz Küderli nachgefragt, warum Social Feeds, Fachmagazine und Innenräume plötzlich voll mit Pflanzen sind. Und was es mit begrünten Fassaden auf sich hat.


Herr Küderli, wie viele Innenräume und Aussenräume hat Ihre Firma in den vergangenen 50 Jahren begrünt?

Moritz Küderli (MK): Es sind mittlerweile über 10'000 Büros, im Bereich Fassaden und Wände sind es rund 600. Die Vertikalbegrünung ist ja ein noch eher junger Geschäftszweig.

Wir haben den Eindruck, dass insbesondere die Innenraumbegrünung stark an Popularität zugelegt hat. Wie nehmen Sie das wahr?

MK: Ja, diesen Eindruck teile ich. Pflanzen in Innenräumen waren bereits in den 70er-Jahren sehr beliebt, später ging das Interesse etwas zurück. Dass das Thema nun wieder sehr präsent ist, führe ich unter anderem auf unser gesteigertes Bewusstsein für Gesundheit und Wohlbefinden zurück. Auch die Pandemie steuerte ihren Teil bei. Alle mussten zuhause bleiben, die Gestaltung der eigenen vier Wände rückte in den Fokus.

Und welches Bedürfnis steht bei Ihren Geschäftskund*innen meist an erster Stelle, wenn es um die Anschaffung von Pflanzen geht?

MK: Während früher vor allem die Ästhetik im Vordergrund stand, geht es heute eher um das Erschaffen einer Wohlfühlatmosphäre und um Büroräumlichkeiten, die für potentielle Mitarbeiter*innen attraktiv sind und sich von der Konkurrenz abheben. Ich stelle auch fest, das sich Bewusstsein für die eigentliche Funktion von Pflanzen, zum Beispiel das Absorbieren von Schadstoffen, verstärkt hat. Kund*innen wollen einen konkreten Nutzen von der Anschaffung.

Ich nehme an, Sie begrünen aber nicht nur Büros?

MK: Sehr häufig, aber nicht ausschliesslich. Wir realisierten auch schon Projekte in Restaurants, Hotels, Spitälern, in einem Forschungszentrum und in zahlreichen Altersheimen.
 

Zusammengefasst: Welche Mehrwerte bringt eine Innenraumbegrünung?

MK: Wie schon erwähnt, gehören dazu die Reduktion von Schadstoffen und die Abgabe von Sauerstoff. Pflanzen wirken sich ausserdem positiv auf die Raumakustik aus und erhöhen die Luftfeuchtigkeit. Eine ausreichende Luftfeuchtigkeit wiederum senkt die Heizkosten.

Welche Arten von Innenraumbegrünungen gibt es nebst Trögen und Töpfen?

MK: Es gibt zum Beispiel die Pflanzenwand, wir sprechen auch vom hängenden Garten. Pflanzenbilder sind eine Art Pflanzenwand im Kleinformat. Wir führen zudem wandelbare Pflanzenregale, realisieren Innengärten und entwickeln eigene Gefässe. Letztes Jahr stellten wir den grünen Vorhang HP green curtain® vor. Unsere Eigenentwicklungen entstehen übrigens in der Zusammenarbeit mit Produkt-Designer*innen und wir durften uns schon über diverse Auszeichnungen freuen, unter anderem über einen «Red Dot Design Award» für unser Pflanzenbild Verticalis.

Eignen sich alle Räume für eine Begrünung?

MK: Jede Pflanze braucht Licht, manche mehr, manche weniger. Wichtig ist die sorgfältige Prüfung der Ausgangslage und der Bedürfnisse. Beispielsweise lassen nicht alle Verglasungen ausreichend UV-Licht durch. Manche Räume verfügen per se über wenig natürliches Licht. In diesen Fällen lässt sich mit speziellem Pflanzenlicht nachhelfen. Das führt allerdings zu zusätzlichen Kosten, einerseits für die Installation, andererseits für den Strom. Nebst dem Licht sind auch Luftqualität und Klima zentral. Zu viel Zugluft oder schwankende Raumtemperaturen tun einer Pflanze nicht gut. 

Aber mit der Pflanzenwahl können Sie den Gegebenheiten sicherlich etwas Gegensteuer geben?

MK: Natürlich. Pflanzen lassen sich auch stabilisieren. Das wird zum Beispiel bei Mooswänden gemacht. Die Pflanzen werden unter anderem mit Glycerin konserviert. Und wenn ein Standort gänzlich ungeeignet ist, gibt es immer noch die Option Kunstpflanzen.

Bewegen wir uns in den Aussenraum. Auch da wächst das Interesse an Pflanzen.

MK: Das Thema Aussenraumbegrünung erhält in in den Medien viel Platz, auch im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Klimawandels. Ich denke, dass das wachsende Interesse unter anderem damit zusammenhängt. Man hört und liest über die positiven Effekte.

Können Sie uns mehr über den Nutzen von begrünten Fassaden erzählen?

MK: Es gibt einige Vorteile! Eine Fassadenbegrünung bietet zum Beispiel natürlich Schutz vor UV-Strahlung und kühlt dadurch die Räume, das ist an besonders exponierten Standorten ein grosser Pluspunkt. Grüne Fassaden absorbieren Schall und CO2, steigern die Biodiversität und sind eine Bereicherung für die Architektur. 

Dann steht die Funktion bei der Realisierung einer Fassadenbegrünung also im Vordergrund?

MK: Aktuell interessieren sich nach wie vor viele unserer Projektpartner*innen für den ästhetischen Aspekt, aber ich stelle auf jeden Fall eine zunehmende Sensibilisierung für die eben genannten Mehrwerte fest. Manche Städte schaffen eigene Abteilungen, die sich dem Thema annehmen und sich für eine breite Umsetzung in den Innenstädten einsetzen. Aber eine Fassadenbegrünung ist aktuell noch sehr teuer. Es sind nicht «nur» Pflanzen, wie viele denken, es braucht eine Konstruktion und ein Bewässerungssystem, das ist aufwändig.
 

Vielleicht erzählen Sie uns zum Abschluss noch etwas über ein konkretes Projekt?

MK: Am Flughafen Zürich konnten wir eine Fassadenbegrünung von «The Circle» realisieren. Die erste Etappe wurde vor zwei Jahren abgeschlossen, die immergrüne Wand zählt zu den grössten vertikalen Begrünungsprojekten der Schweiz. Knapp 15’000 Pflanzen auf 430 Quadratmetern. 2023 folgt die zweite Projekt-Etappe, bei der nochmals 230 Quadratmeter bepflanzt werden. Wir freuen uns schon aufs Endergebnis.

 

Vielen Dank für den spannenden Austausch, Herr Küderli!

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