Spiel mit der Wahrnehmung

29. März 2023

Architektur und Innenarchitektur können die Wahrnehmung eines Raumes/Gebäudes gezielt beeinflussen und einmalige Erlebnisse kreieren, was insbesondere im Messebau und Hospitality-Bereich unendliches Potential bietet.

In der Architektur und Innenarchitektur geht es um mehr, als funktionale und ästhetische Räume zu schaffen. Wir als Innenarchitekt*innen erzählen Geschichten, wecken Emotionen und gestalten Erlebnisse. Für Projekte in den Bereichen Messebau, Showroom und Hospitality trifft dies besonders stark zu.

Es gibt verschiedene Ansätze, um das Raumerlebnis von Besucher*innen und Gästen zu beeinflussen. Eine Möglichkeit für einen nachhaltigen Effekt bietet das Spiel mit der Wahrnehmung und Erwartung. Wir zeigen in diesem Blog inspirierende Beispiele aus der Geschichte und Gegenwart.
 

Der Sonnenkönig und die Spiegel

Mit der Wahrnehmung wird seit Jahrhunderten gespielt. Sonnenkönig Ludwig XIV. zum Beispiel hatte ein Faible für Glas respektive Spiegel, ein besonders geeignetes Material zur Erzeugung einer Illusion. In der 73 Meter langen «Galerie des Glaces» auf Schloss Versailles wurden gegenüber von 17 grosszügigen Fenstern sage und schreibe 357 Spiegel angebracht, die bei Tageslicht den Garten in den Saal holen und bei Abendlicht den Innenraum optisch vergrössern.
 

Galerie des Glaces im Schloss Versailles © Jessica Kantak Bailey (via Unsplash)

Galerie des Glaces im Schloss Versailles © Jessica Kantak Bailey (via Unsplash)

Bedrucktes Glas wird zum Bauernhaus

Auf dem Marktplatz im niederländischen Schijndel wird seit 2013 ebenfalls mit Innen- und Aussenraum gespielt. Dort steht ein Bauernhaus, das keines ist: die «Glass Farm» der Architekten MVRDV aus Rotterdam (wir haben in diesem Blog über ein weiteres Projekt dieses Architektur-Büros berichtet). Im vermeintlichen Bauernhaus finden sich Büroräume, Gastronomie und Retail.

Auf die traditionell verwendeten Baustoffe wie Backstein und Holz wurde verzichtet, jedenfalls in ihrer realen Form. Die Architekt*innen gestalteten das Gebäude aus einer 1800 Quadratmeter grossen Glas-Hülle, die mit einem speziellen Digitaldruckverfahren fotorealistisch bedruckt wurde. Auf der Website der MVRDV-Architekt*innen spricht man von «augmented history», einer Erweiterung der Geschichte. Der Marktplatz von Schijndel wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und seitdem zahlreichen Vergrösserungen und Renovationen unterzogen.

Die «Glass Farm» ist 1.6-mal grösser als ein echter Bauernhof und symbolisiert durch die Skalierung das Wachstum des Dorfes zur Stadt. Die Glashülle wirkt je nach Tageslicht und Innenraumbeleuchtung anders. Besonders in der Dunkelheit und mit Beleuchtung im Gebäudeinnern wird die «Glass Farm» zu einem Denkmal an das traditionelle Bauernhaus der Region.
 

Spieglein, Spieglein … am Baum

In Glas wurde auch der «Mirrorcube» des schwedischen Treehotels gehüllt, allerdings besteht die Verkleidung aus Spiegelglas und nicht aus fotorealistisch bedrucktem Glas. Der Würfel mit einer Kantenlänge von vier Metern reflektiert die Umgebung und verschmilzt so mit dem Wald. Der «Mirrorcube» wurde von den Stockholmer Architekten Tham & Videgård entworfen.
 

Trompe-l'Œil: Himmel auf Erden

Nebst Glas und Spiegeln bietet die Kunst der Malerei vielzählige Möglichkeiten, Räume zu verändern und mit der Wahrnehmung der Betrachter*innen zu spielen. So kann zum Beispiel ein «Trompe-l'Œil»-Effekt erzeugt werden, bei dem eine zweidimensionale Darstellung die Betrachter*innen glauben lässt, dass das Gemalte dreidimensional und/oder real ist.

Beispiele illusionistischer Wand- und Deckenmalereien gibt es unter anderem in zahlreichen Barock-Kirchen zu entdecken. Mithilfe der Malerei wurden Kuppelgewölbe vorgetäuscht und der Himmel auf Erden geholt, so auch in der Kirche Sant’Ignazio di Loyola in Campo Marzio in Rom.
 

Deckenfresko von Andrea Pozzo in der Kirche Sant’Ignazio in Rom © Massimo Merlini (iStock)

Deckenfresko von Andrea Pozzo in der Kirche Sant’Ignazio in Rom © Massimo Merlini (iStock)

«Trompe-l'Œil» funktioniert natürlich ebenso im Aussenraum und in der Gegenwart: Beim Wandbild «US» der Luzerner QueenKong (über das Duo berichteten wir bereits ausführlich auf dem Blog, hier geht’s zum Beitrag) wird eine Häuserfassade mithilfe von Sprühdosen und Farbroller plötzlich mehrdimensional.
 

Zeitgenössische Farb-Spielereien

Welche Wirkung Grafik und Farbe entfalten können, veranschaulichen auch die Büro-Räume der Kreativagentur DDB in Prag. Ein grafisches Farb-Konzept an Wänden, Decken und Boden beeinflusst unmittelbar das Raumerlebnis. Die Wahrnehmung verändert sich je nach Standort und Blickwinkel. Das Interior-Design stammt vom Büro B² Architecture.
 

Alice grüsst aus dem Wunderland

Effekte, die den Besucher*innen aus dem Gleichgewicht bringen, lassen sich vor allem mit der Gestaltung des Bodens erzielen. Der Eingang des Showrooms des englischen Fliesen-Herstellers Casa Ceramica veranschaulicht imposant die Möglichkeiten. Hier wird so mit Farben und Formen gespielt, dass der Eindruck entsteht, der Boden wäre dynamisch und würde einsinken. Das übergeordnete Thema war «Alice im Wunderland».
 

Laut eigenen Angaben wollte Casa Ceramica mit dem Showroom-Design nachhaltige Erinnerungen kreieren und das Potential von Fliesen vermitteln. Das ist dem Hersteller definitiv gelungen, die Bilder des Showroom-Eingangs gingen viral und brachte Casa Ceramica zahlreiche Medienpräsenz. 

(Header-Bild und Bild auf der Blog-Übersicht: Glass Farm in Schijndel, MVRDV © Daria Scagliola & Stijn Brakee)

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